Was heißt das, inneres Team? Manche reagieren auf das Konzept eines inneren Teams etwa so: „Ich bin ich – das ist doch nur einer.“ Wir sehen uns meistens als Individuen, also nicht als vielteilig, sondern als Einheit. Insbesondere, wenn es um unseren Geist geht. Aussagen wie „Ich bin viele“ lassen manche eher an multiple Persönlichkeitsstörung denken als an den Geisteszustand gesunder Menschen. Und doch: Wer hadert nicht ab und zu mit sich selbst, oder diskutiert in einer Art inneren Dialogs mehrere Standpunkte zu einem Thema?
Gibt es da nicht doch etwas, das unserer Vorstellung des In|dividuums (d.h. des Un|teilbaren) widerspricht?
Das Gehirn einer Maus besteht aus ca. 8 Millionen Nervenzellen (Neuronen), das Gehirn eines Menschen dagegen aus ca. 100 Milliarden, die durch 100 Billionen Synapsen eng miteinander verbunden sind. Durchschnittlich ist also ein Neuron mit 1000 anderen Neuronen verbunden und könnte von jedem beliebigen anderen Neuron aus in höchstens zwei bis vier Schritten erreicht werden. Das Menschliche Gehirn ist also unwahrscheinlich gut und dicht vernetzt.
Woher stammt unser enges Geflecht?
Die intensive Interaktion des Gehirns mit seinem Umfeld – ganz wesentlich die Interaktion mit anderen Menschen – verursacht diese dichte Vernetzung. In diesem Sinne wird das Konzept eines einzelnen Gehirns höchst fragwürdig. Gerald Hüther geht in seiner Formulierung sogar noch weiter: „Dann ist auch die Idee eines einzelnen Gehirns, das als einzelnes losgelöst von allen anderen und von all den gemachten Beziehungserfahrungen untersuchbar wäre, absurd.“ Wohl so absurd wie ein einzelnes Atom, ein einzelner Stern, eine einzelne Ameise. Trotzdem erleben wir uns als Individuen. Und das müssen wir wohl auch, denn, wie Gerhard Roth formuliert, „Wenn man die Ich-Instanz zerstört, kann der Mensch nicht mehr in komplexen Situationen handeln.“ Und so ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen Individuum und Abhängigkeit, zwischen dem Eindeutigen und der Vielschichtigkeit unseres Geistes.
Woher kommt die manchmal gefühlte Vielzahl von Meinungen, die uns z.B. beim Abwägen von wichtigen Entscheidungen hadern lässt?
Unsere Werte und die sich daraus ergebenden Handlungsmuster entstehen durch das, was uns vorgelebt wurde, insbesondere im frühen Alter. Eine besondere Rolle nehmen dabei die Personen ein, die uns sehr nahe standen bzw. stehen. Unsere wichtigsten Beziehungserfahrungen prägen uns so sehr, dass sie ein Leben lang unsere Ziele, unsere Erwartungen und unsere Handlungsmuster mitbestimmen. Wer kennnt ihn nicht, den inneren Dialog, in dem wir abwägen, welcher Weg für uns der richtige ist? Welche Entscheidung, welche Handlung.
Spricht da jemand mit? Wer ist das? Sind das die Eindrücke, die Wertvorstellungen und die Träume unserer wichtigsten Beziehungspersonen?
Wo diese Vielfalt an Stimmen oder Meinungen, die unser „Inneres Team“ ausmacht, herkommt, lässt sich in einem reflektierenden Gespräch gut erforschen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind für Unerfahrene oft überraschend. Entscheidungswege werden klarer – als hätte jemand plötzlich den Scheibenwischer angeschaltet.
Wer lernen will, solche Gespräche zu leiten, kann sich gerne hier informieren –> Inneres Team im Basics-Kurs
Das schöne an den neuen Erkenntnissen ist, dass die Rolle der einen Instanz, die unser inneres Team leitet, klarer machen – wir also durch das Anerkennen multipler Meinungen und durch das Klarstellen ihrer Herkunft unser Gefühl stärken, als Individuum unterwegs zu sein.